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31. März 2008. Analysen: Nepal - Politik & Recht Frieden ist mehr als eine Wahl

Manjushree Thapa ist eine der bekanntesten Autorinnen Nepals. Ihr Buch Forget Kathmandu - An Elegy for Democracy gehörte 2006 zu den Finalisten des Lettre Ulysses Award für die Kunst der Reportage. Auf Deutsch erschien gerade ihr Roman Geheime Wahlen (The Tutor Of History). In ihrem Beitrag berichtet sie über den Friedensprozess in Nepal.

Seit dem Anfang des nepalesischen Friedensprozesses im Frühling 2006 ist die Notwendigkeit, Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung zu halten, und das rasch, immer dringender geworden. Die Übergangsregierung, bestehend aus einer Sieben-Parteien-Allianz und der Kommunistischen Partei Nepals (Maoistisch), hatte ursprünglich diese Wahlen für Juni 2007 geplant und dabei die Tatsache ignoriert, dass der Beginn des Monsuns eine hektische Jahreszeit in der Landwirtschaft ist und keine plausible Zeit für Wahlen.

Als in letzter Minute der Urnengang verschoben wurde, brachten Teile der professionellen Elite Nepals - Rechtsanwälte aus Kathmandu, Medienkommentatoren und Mitglieder der Bildungselite - sowie die internationale Gemeinschaft Überraschung und Bestürzung, sogar Entrüstung zum Ausdruck. Die Parteien wiesen einander schnell die Schuld zu und setzten einen neuen Termin für November 2007 fest. Doch auch diese schien keine plausible Zeit zu sein, eine verschlafene Jahreszeit nach den großen Feiertagen des Landes. Als im Oktober auch diese Wahlen verschoben wurden, äußerte abermals jeder, der etwas zu sagen hatte, Überraschung, Bestürzung und Entrüstung. Kein geringerer als Ban Ki-Moon drängte die Regierung, einen neuen Wahltermin festzusetzen. Der gesamte Friedensprozess schien andernfalls gefährdet.

Ein Prozess mit drei Aspekten

In der Eile, Wahlen abzuhalten oder zumindest Termine dafür festzulegen, war es leicht zu übersehen, dass Wahlen nur eine von drei Hauptkomponenten des Friedensprozesses sind. Sie sind zwar eine wichtige Komponente - nur wenn eine verfassungsgebende Versammlung gewählt wird kann Nepal sich der wichtigen Aufgabe widmen, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Doch sind die anderen Komponenten des Friedensprozesses genauso entscheidend und scheinen bislang genauso unerreichbar.

Die zweite wesentliche Komponente beinhaltet ein Abkommen zwischen der nepalesischen Armee und der anderen militärischen Macht, der maoistischen Volksbefreiungsarmee - derzeit sehr provisorisch untergebracht in 28 von den Vereinten Nationen überwachten Unterkünften auf dem Land. Die nepalesische Armee hat ihren Unwillen kundgetan, maoistische Kämpfer in ihre Reihen aufzunehmen, die Maoisten erwarten gerade eine solche Integration. Keine der acht Regierungsparteien war bislang erpicht darauf, die nepalesische Armee bei dieser oder anderen notwendigen Reformen zum Einlenken zu drängen. Denn die Armee ist schließlich während Wahlen für die Sicherheit der Wahllokale verantwortlich. Reformwünsche der internationalen Gemeinschaft blieben unbeachtet. So bleiben Reformen im Sicherheitsbereich eine gefährlich vernachlässigte Komponente des Friedensprozesses.

Die dritte Hauptkomponente des Friedensprozesses besteht in der Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission, welche die Verluste aufarbeiten soll, die in zehn Jahren des Aufstandes und seiner Niederschlagung erlitten wurden: Die über 13.000 Toten, die mehr als 900 Verschwundenen und die Tausende Vertriebene im ganzen Land. Alle großen Parteien haben durch ihre vergangene Unterstützung der nepalesischen Armee oder der Volksbefreiungsarmee Blut an ihren Händen. Erwartungsgemäß haben sie mehr Interesse daran, die Versöhnung zu fördern, als die Wahrheit darüber aufzudecken, was während des Krieges geschah. Bislang haben sie lediglich unwesentliche, symbolische Schritte unternommen, um eine solche Kommission einzurichten. Gesten, die von nationalen und internationalen Verteidigern von Menschenrechten rundweg zurückgewiesen wurden. Diese Komponente des Friedensprozesses bleibt also ebenfalls vernachlässigt.

Es mag unangemessen zynisch erscheinen sich zu fragen, ob die Regierungsparteien, die die nepalesische Elite und die Weltgemeinschaft gängeln, vielleicht die Wahlen verzögern um die Öffentlichkeit von ihrem Versagen bezüglich einer Sicherheitsreform und Wahrheit und Versöhnung abzulenken. Denn seit dem Tag, an dem Wahlen im Juni angekündigt wurden, klingt der wiederholte Ruf nach baldigen Wahlen in Nepal hohl. Umso mehr, weil bereits das bloße Wahlverfahren heiß umstritten bleibt und eine Entscheidung darüber in weiter Ferne.

Wahlen und Verwerfungen

Welche Art Wahlen sollten in Nepal stattfinden? Dies ist eine ganz offenkundige Frage, aber eine, auf welche die politischen Parteien in der Regierung nur zögerlich antworten, aus gutem Grunde: Die Antwort droht, tiefe Risse im Friedensprozess bloßzustellen.

Als die Kommunistische Partei Nepals (Maoistisch) und die Sieben-Parteien-Allianz November 2005 das Zwölf-Punkte-Abkommen in New Delhi unterzeichneten und eine gemeinsame Friedensbewegung gegen die feudalen Kräfte von Monarchie und Militär vereinbarten, war klar, dass es sich um ein Zweckbündnis vorübergehender Natur handelte.
Nach dem Erfolg der Friedensbewegung im April 2006 begann eine Phase, die sich eher durch Spaltung auszeichnen sollte - der Friedensprozess.

Nepal ist, nach allen objektiven Indikatoren, ein unumstößlich linksgerichtetes Land. Dennoch ist es die Nepalesische Kongresspartei - deren Ursprünge im Sozialismus liegen, die sich aber heute als stramm neoliberal zeigt - die von der Weltgemeinschaft, insbesondere dem (in Bezug auf Nepal) allmächtigen indischen Außenpolitik-Establishment, für die Führung des Landes favorisiert wird.

So wurde der über achtzigjährige Präsident der Nepalesischen Kongresspartei, Girija Prasad Koirala, Premierminister der ersten Übergangsregierung (was er auch nach Verkündung einer Übergangsverfassung in der zweiten Übergangsregierung blieb). Koirala ist berühmt für seine Antipathie gegen Links. Er wird mit einer Fraktion seiner Partei assoziiert, die als Kalo Kangress (Schwarzer Kongress) bekannt ist, und die sich nach den Demokratiebewegungen von 1950 und 1990 mit Monarchie und Militär verbündete, um die Linke einzudämmen, und es jedes Mal der Monarchie und dem Militär ermöglichte, gestärkt zurückzukehren. Wenn politische Kommentatoren Koirala ein "Genie" nennen - was oft der Fall ist, unterdessen wird er sogar für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen - meinen sie damit, dass er unaufhaltsam ist, wenn es darum geht, den rechten Flügel gegen den linken auszuspielen.

Koirala und die Nepalesische Kongresspartei haben die entscheidende Rolle im Friedensprozess gespielt. Die an zweiter Stelle entscheidenden Akteure waren die Maoisten, die ihre Popularität unter den "Massen", auf deren Kosten sie zehn Jahre lang gelebt und die sie in großem Ausmaß gefährdet hatten, zunächst erheblich überschätzten. Sie traten in den Friedensprozess als Sieger ein. Die drittwichtigste Akteurin des Friedensprozesses ist die Kommunistische Partei Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch), die größte linksgerichtete, der parlamentarischen Demokratie verpflichteten Partei, und abwechselnd Rivalin und Verbündete der Nepalesischen Kongresspartei und der Maoisten.

Keine dieser Parteien hatte die geringste Erfahrung in Friedensstiftung. Und weder erhielten noch akzeptierten sie vernünftige Ratschläge von Kathmandus professioneller Elite und der internationalen Gemeinschaft. Das "umfassende Friedensabkommen" vom 21. November 2006 war alles andere als umfassend. Auf der positiven Seite ebnete es den Weg für die Ausrufung einer Übergangsverfassung im Januar 2007, was den Einzug der Maoisten in ein Übergangsparlament und deren Heranführung an Demokratie ermöglichte. Auf der negativen Seite behandelt das Abkommen die Reform der Sicherheitspolitik und Wahrheit und Versöhnung eher beiläufig und unverbindlich.

Am problematischsten war, dass es die meisten Nepalesen vom Friedensprozess ausschloss. Fast ab dem Abend der Unterzeichnung - ein Ereignis, das von der Kathmandu-Elite und der Weltgemeinschaft besonders gefeiert wurde - fiel der Friedensprozess in die ausschließliche Verantwortung der politischen Parteien. Selbst die Maoisten beteiligten sich an der Errichtung von Barrieren, in dem sie eine Schlüsselforderung nach einer Konferenz am runden Tisch im Gegenzug für eine schnelle Beteiligung am Regierungsgeschehen aufgaben. Und so verkam das, was noch im April 2006 eine Massenbewegung für die Verwandlung des Landes gewesen war, durch die Einberufung des Übergangsparlaments zu einer Übung in Machtverteilung zwischen acht politischen Parteien.

Dies erwies sich als schwerer Fehler, denn der Ruf nach schnellen Wahlen kursierte bald in der Kathmandu-Elite und der Weltgemeinschaft. Unter den Frauenrechtsaktivisten, den Aktivisten für die Rechte der ethnischen und einheimischen Bevölkerungsgruppen, den Dalits und den Madheshi im Südosten (die alle bedeutende gesellschaftliche Bewegungen Nepals umfassen), wuchs der Widerstand gegen die von den Parteien favorisierte Mehrheitswahl, da diese als Begünstigung derer angesehen wurde, die bereits die Macht innehatten. Dies sind die Männer der "hohen" Kasten, von denen man ohne Übertreibung behaupten kann, dass sie in Nepal ein gesellschaftliches, wirtschaftliches und politisches Machtmonopol besitzen. Die Gruppen der Ausgegrenzten haben diverse eigene Forderungen aufgestellt, sowie eine gemeinsame Forderung: Es soll bei den Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung das Verhältniswahlrecht gelten.

Keine der acht Regierungsparteien - deren Führer alle aus "hohen" Kasten stammen - war daran interessiert. Unzufriedenheit erhärtete sich in der Madheshi-Region als eine Volksbewegung die Einführung des Verhältniswahlrechts forderte. Im Laufe des Sommers 2007 geriet die Madheshi-Rechte-Bewegung aus der Kontrolle ihrer Führer und schlug in Gaur, Lahan, Kapilvastu und anderen südöstlichen Städten in Gewalt um; das tägliche Leben und Handel in der Region kamen zum Erliegen.

Es zeigt das elitäre Wesen derer, die den Friedensprozess steuern, dass die Madheshi-Rechte-Bewegung in Kathmandu feindselig aufgenommen wurde, bis hin zu Vorhaltungen, die Führer der Bewegung seien antinationalistisch, oder zumindest antidemokratisch. Denn Demokrat sein bedeutete, schnell wählen zu wollen, und jeder, der sich schnellen Wahlen in den Weg stellte, musste, dieser reduzierenden Logik zufolge, antidemokratisch sein. Es stimmt zwar, dass die Madheshi-Rechte-Bewegung gelegentlich von Feudalisten unterwandert wurde, die von einem Wiedererstarken von Monarchie und Militär träumten und hofften, genug Gewalt zu entfachen, um die Wahlen gänzlich zu verhindern. Es stimmt auch, dass Splittergruppen der Maoisten einen Teil der Gewalt mehr aus kriminellen denn aus politischen Gründen angezettelt haben. Dennoch sollte dies die Forderung der Bewegung nach Verhältniswahlen nicht diskreditieren, konnte dies letzten Endes auch nicht tun.

Die Elite und die Ausgegrenzten

Unter großem Druck, und nur sehr zögerlich, stimmten die acht Regierungsparteien zu, mit den Madheshi-Gruppen zu reden. Ebenfalls unter Druck, ebenfalls zögerlich, stimmten sie Gesprächen mit Gruppen zu, welche die Rechte ethnischer und einheimischer Bevölkerungsgruppen einforderten. Dennoch weigerten sie sich, die Forderungen jener anderen Gruppen wirklich ernst zu nehmen - bis im September 2007 die Maoisten das Kabinett verließen (ohne jedoch das Übergangsparlament zu verlassen) und große Ängste in Bezug auf den ganzen Friedensprozess auslösten.

Spätestens dann war den Maoisten klar geworden, dass sie doch nicht so beliebt waren wie sie ursprünglich angenommen hatten. Sie sahen, dass sie ihre Basis weiter ausgehöhlt hatten, in dem sie durch die Unterzeichnung des umfassenden Friedensabkommens zwei ihrer lange erhobenen Forderungen aufgaben. Diese waren die Forderungen nach einer sofortigen Abschaffung der Monarchie und einer Konferenz am runden Tisch. Nach Verlassen des Kabinetts verlangten sie ein Sondersitzung des Parlaments um zwei Anträge zu beraten: Die sofortige Abschaffung der Monarchie, und - statt einer Konferenz am runden Tisch - die Annahme des Verhältniswahlrechts für die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung.

Offensichtlich hofften sie, durch die Annahme der Sache der Ausgegrenzten ihre Basis zurückzugewinnen. Deren Führung wurde außerdem von der Volksbefreiungsarmee scharf kritisiert, die noch immer unter Überwachung der Vereinten Nationen in deren Unterkünften auf die Integration in die nepalesische Armee wartete. Die Maoistenführer, die in Kathmandu ein bequemes Leben führten, mussten den eigenen Kadern beweisen, dass sie sich nicht völlig verkauft hatten.

Deren Verlassen des Kabinetts versetzte alle Seiten in Panik. Die Kathmandu-Elite warf den Maoisten unanständiges Verhalten vor - sie würden die Wahlen (und den Friedensprozess insgesamt) zu Geiseln ihrer Launen machen. Die Maoisten wiederum warfen den sieben Parteien bezüglich der Durchführung von Wahlen Heuchelei vor. In dem Gewirr wurden die Wahlen prompt abgesagt, und in einem Versuch, den Friedensprozess vor dem Scheitern zu bewahren, wurde eine Sondersitzung des Übergangsparlaments einberufen.

Zur Überraschung aller wurden beide Anträge der Maoisten - oder zumindest ähnliche Anträge - angenommen. Die Kommunistische Partei Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch), die zwischen der Nepalesischen Kongresspartei und den Maoisten pendelt, reichte moderatere Anträge ein und bildete mit den Maoisten einen linken Block, um sie durchzubekommen. Statt die Monarchie umgehend abzuschaffen, verabschiedete das Übergangsparlament am 4. November eine Resolution, die Regierung um die Abschaffung der Monarchie zu ersuchen. Und statt ein System des Verhältniswahlrechts einzuführen, das als Verdienst der Maoisten gelten würde, verabschiedete das Übergangsparlament eine Resolution zur Einführung des Verhältniswahlrechts, die als Verdienst der Kommunistische Partei Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch) gelten sollte.

Die Kathmandu-Elite erklärte die Resolutionen für verfassungswidrig, oder zumindest nicht bindend (da sie nicht mit einer Zweidrittelmehrheit sondern lediglich mit einer einfachen Mehrheit verabschiedet wurden), und drängte das nun Maoisten-freie Kabinett in zunehmend hysterischen Tönen, sie nicht umzusetzen.

Diese scharfe Polarisierung zwischen den linken und den liberalen Parteien war von vornherein zu erwarten. Was unerwartet kam, war die Polarisierung zwischen der Elite und den Ausgegrenzten in der breiten Bevölkerung. Wie das Übergangsparlament ist auch das Land in zwei Lager gespalten: Die Elite, die für die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung eine personalisierte Verhältniswahl bevorzugt (die Hälfte der Sitze nach Verhältniswahl, die Hälfte nach Mehrheitswahl), und die Ausgegrenzten, die eine reine Verhältniswahl wollen, nach deren Überzeugung der einzige Weg, Zugang zur Macht zu erlangen, die ihnen bislang verwehrt wurde.

Neuverhandlung des Friedens

Es mag zwecklos, sogar töricht erscheinen, wenn die Regierungsparteien erneut Wahltermine festsetzen ohne vorher über das Wahlverfahren zu entscheiden; dennoch ist dies genau das, was der größte Teil der Kathmandu-Elite und die internationale Gemeinschaft von ihnen verlangt.

"Sie müssen keine perfekte Wahl durchführen. Sie müssen nur überhaupt eine Wahl durchführen. Dann können Sie anfangen, sich vorwärts bewegen", sagte mir ein ranghohes Mitglied der internationalen Gemeinschaft während der Anfänge des Friedenprozesses, als sie Wahlen im Juni erwartete. Andere Mitglieder der internationalen Gemeinschaft haben behauptet, dass eine Verzögerung der Wahlen den Friedensprozess insgesamt gefährden würde. Wiederum andere haben Afghanistan und Irak als Vorbilder genannt: Wenn dort Wahlen stattfinden konnten, warum sollten sie nicht in Nepal stattfinden können?

Vielleicht ist Unwissen verantwortlich für die Blindheit der internationalen Gemeinschaft gegenüber der Tatsache, dass die Nepalesen nicht bloß irgendwelche Wahlen wollen, sondern gute Wahlen, welche eine verfassungsgebende Versammlung wählen, die sie wirklich vertritt. Womöglich verspürt die internationale Gemeinschaft nicht den Drang, den die Nepalesen verspüren, das Land zu verändern.

Wenn die professionelle Elite Nepals an derselben Blindheit leidet, kann es nicht an Unwissen liegen.

Die Rechtsanwälte, Medienkommentatoren und Mitglieder der Bildungselite sind weit davon entfernt, einheitlich zu denken, dennoch haben sie sich alle gleichermaßen dem Ruf nach schnellen Wahlen angeschlossen und viel Tinte darüber vergossen, wer an der wiederholten Verschiebung derselben schuld sei, dabei geflissentlich die Unruhe und Gewalt außer Acht gelassen, die Wahlen von vornherein erschweren. Diese Menschen sind nicht schlecht informiert. Sie sind parteiisch - fast alle Mitglieder der sogenannten zivilen Gesellschaft favorisieren entweder die Nepalesische Kongresspartei oder die Kommunistische Partei Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch) und sind in Krisenzeiten nicht gewillt, das Lager zu wechseln. Da die Kommunistische Partei Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch) sich bislang hinter die Führung der Nepalesischen Kongresspartei gestellt hat, ist die Elite bei ihren Positionen geblieben.

Jetzt, da sich die Kommunistische Partei Nepals (Vereinigt Marxistisch-Leninistisch) von der Nepalesischen Kongresspartei entfernt hat, könnte die Elite ein weniger einheitliches Verständnis des Friedensprozesses zeigen. Dies wäre eine willkommene Veränderung.

Eine weitere willkommene Veränderung wäre die Rückkehr der Maoisten zu ihrer letzten Forderung, einer die sie jetzt anscheinend sehr gern vergessen würden: Der Forderung nach einer Konferenz am runden Tisch. Während der vergangenen Jahrzehnte hat sich Nepal in einem Zustand geistiger Umwälzung befunden. In dem exklusiven, von der Elite in Beschlag genommenen Friedensprozess konnte dies nicht genutzt werden. Eine Konferenz am runden Tisch unter Einbeziehung aller ausgegrenzten Gruppen (Frauen, Dalits, ethnische und einheimische Bevölkerungsgruppen, und Madheshis) würde den Prozess öffnen und zu einem wahrhaft nepalesischen Friedensprozess werden lassen, statt eines Friedensprozesses von der Elite für die Elite.

Die Weltgemeinschaft

Die internationale Gemeinschaft riskiert erneut die Rolle zu spielen, die sie stets in Nepal bei dem Übergang zur Demokratie gespielt hat. 1950, wie auch 1990, half die internationale Gemeinschaft - allen voran das indische Außenpolitik-Establishment - der von der Nepalesischen Kongresspartei geführten Regierung, einer Allianz mit den feudalen Kräften von Monarchie und Militär einzugehen, mit dem Zweck, die Linke einzudämmen. Dies erlaubte es den feudalen Kräften, die Demokratie zu demontieren und an die Macht zurückzukehren. Auch jetzt, mit sowohl impliziten als auch expliziten Mitteln ermutigt die internationale Gemeinschaft, insbesondere Indien, die von der Nepalesischen Kongresspartei geführte Regierung, die feudalen Kräfte zu beschwichtigen. In diplomatischen Kreiden wird viel darüber geredet - anscheinend ohne humoristische Absichten - den derzeitigen König Gyanendra und seinen unbeliebten Sohn Paras zu übergehen, und Paras' sechsjährigen Sohn Hridayendra als "Baby-König" einzusetzen. Die diplomatische Gemeinschaft - auch hier insbesondere Indien - ermutigt außerdem die Regierung, die nepalesische Armee unangetastet zu lassen. Daher das Fehlen einer Reform im Bereich der Sicherheitspolitik sowie einer Wahrheits- und Versöhnungskommission.

Dies hat natürlich dazu beigetragen, die Monarchie und die schlimmsten Instinkte der nepalesischen Armee zu bestätigen. Ein zunehmend selbstbewusster Gyanendra hat Anweisungen der Regierung getrotzt und öffentliche Ämter ausgeübt, derer er enthoben worden war. Noch besorgniserregender sind die in Kathmandu allgegenwärtigen Gerüchte eines bevorstehenden Putsches...

Es könnte der internationalen Gemeinschaft die Peinlichkeit ersparen, wieder auf die falsche Seite in den Geschichtsbüchern zu geraten, wenn der Friedensprozess neu verhandelt werden würde.

Die Welt wird schließlich nicht untergehen, wenn das umfassende Friedensabkommen eines natürlichen Todes stirbt. Der nepalesische Friedensprozess muss nicht einmal angehalten werden. Ein neues, einschließendes Abkommen, das mit einer Konferenz am runden Tisch angestoßen würde, würde einen großen Beitrag zur Beendigung von Unruhen und Gewalt in ausgegrenzten Gemeinschaften leisten. Es würde das geistige Ferment des Landes zu Nutze machen. Und es würde helfen, die Aufmerksamkeit wieder auf Reformen im Bereich der Sicherheitspolitik sowie Wahrheit und Versöhnung zu lenken.

Das wäre doch ein Friedensprozess, der Unterstützung verdiente.

 

 

(Übersetzung: Reuben Proctor, BONO-Direkthilfe e.V.)

Quelle: Dieser Text wurde am 29.11.2007 von Manjushree Thapa und openDemocracy unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht.

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