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15. Juni 2004. Analysen: Geschichte & Religion - Indien Aktion "Lächelnder Buddha"

30 Jahre Atommacht Indien

Aktion "Lächelnder Buddha" hieß der Codename, mit dem die Zündung Indiens erster Atombombe in der Pokhran-Ebene der Wüste Tharr am 18. Mai 1974 tituliert wurde.

Nicht so groß wie die Atombombe, mit der die Amerikaner damals Hiroshima verwüsteten, aber mit rund 15 Kilotonnen Sprengstoff in negativem Sinne beachtlich. In einer Tiefe von 100 Metern wurde sie nur 150 km von der pakistanischen Grenze entfernt gezündet. Zwar waren die geologischen Auswirkungen mit einem Krater von 200 Metern Durchmesser enorm, die politischen jedoch umso mehr. Nun durfte sich Indien als sechste Atommacht bezeichnen. Amerika, China, England, Frankreich und Russland gehörten diesem Kreise ja bereits an. Nicht nur im Westen sorgte dieser nukleare Test für Schlagzeilen. War da doch einerseits das mitunter bevölkerungsreichste Land der Erde - geprägt durch Mahatma Gandhis Friedensphilosophie und auf der anderen Seite die Millionen von Dollar, die zum Fenster hinausgeschmissen wurden, wo doch ein großer Bevölkerungsteil nicht einmal wusste, ob er den nächsten Tag aufgrund Nahrungsmangel überhaupt überleben würde.

Der Westen reagierte. Die amerikanische Zeitung New York Times kritisierte Indien mit ihrem Wissen und ihrer Technologie es nicht geschafft zu haben die wesentlichen Probleme des Landes zu lösen: Armut, Nahrungsmangel und Bevölkerungsexplosion und bald selbst im Westen um Almosen betteln würde. Kanada stoppte mit sofortiger Wirkung die Entwicklungshilfe gegenüber Indien. An der Explosion war ein Reaktor beteiligt, der mit kanadischer Technologie gebaut wurde und Indien seinerzeit versichert hatte, diesen Reaktor nur im Sinne des Friedens zu nutzen.

Die damalige Premierministerin Indira Gandhi entgegnete, dass Indien kein Nuklearwaffenstaat sei, sondern lediglich ein Nuklearstaat. Es gäbe keine Atombomben, alle Tests hätten friedliche Absichten.

Der Direktor des indischen Instituts für Verteidigungsstudien dagegen: "Es gibt faktisch keinen Unterschied zwischen der Technologie für friedliche Sprengsätze und der für Atomwaffen."

Ein Diplomat: "Hätte man den Sprengsatz in einem Flugzeug transportiert und über ein Ziel abgeworfen, wäre dies eine Atombombe."

Also: nicht gerade glaubwürdige Aussagen der Premierministerin. Solche Flugzeuge aus russischer und französischer Hand existierten zu diesem Zeitpunkt bereits in Indien. 1974 war das Land sogar soweit, atomare Sprengsätze mit einer Trägerrakete zu transportieren. Für die Geschichte der nuklearen Proliferation war der 18. Mai 1974 bedeutsam, die Praxis zeigte jedoch, dass die Kontrolle über solche Waffen gescheitert war.

Doch warum diese Aufrüstung? Im Jahre 1962 hatte Indien im Grenzkrieg mit China eine herbe Niederlage einstecken müssen. Schon 1964 begannen die Chinesen mit der Zündung ihrer ersten A-Bombe. Doch damit nicht genug, denn auch mit dem ungleichen Bruderstaat Pakistan hatte sich Indien Kriege geliefert. Drei an der Zahl. Pakistans Präsident Bhutto drohte 1972 nach seiner Kriegsniederlage und der Abspaltung Ost-Pakistans (später Bangladesch) ebenfalls Atombomben zu entwickeln, "selbst wenn wir Gras und Blätter essen müssen".

Zwar nicht unmittelbar danach, aber am 28. Mai 1998 reihte sich auch Pakistan in den Club der Atommächte ein. Dieser Tag sollte fortan als "Tag des Schlachtrufes" in die nationale Geschichte eingehen. Pikanterweise hatte die indische Regierung einige Tage zuvor drei Atomexplosionen - übrigens ebenfalls in der Pokhran-Region - durchführen lassen. Alles Tatsachen, die weiterhin Öl ins Feuer der Spannungen gossen.

Wer hier noch von einer friedlichen Nutzung sprach oder heute noch spricht, darf ausgelacht werden. Der Begriff "lächelnder Buddha" ist folgerichtig vielmehr "lächerlich". Das was Amerika und Russland in den 80er Jahren miteinander veranstalteten, wurde nun von Indien und Pakistan weitergeführt. Mit dem Unterschied, dass Amerika und Russland nun - zumindest in dieser Hinsicht - erwachsen geworden waren. Die beiden Nachbarländer des Subkontinents dagegen beschränkten sich exzessiv mit Sandkastenspielchen.

Wie hatte Oppenheimer die erste weltweite Atombombenexplosion 1945 mit einem Zitat aus der Bhagavad Gita zitiert? "Nun bin ich zum Tod geworden, dem Zerstörer der Welten."

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