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10. Juni 2004. Analysen: Politik & Recht - Indien Somnath Chatterjee

Der KP-Politiker wurde Präsident des indischen Unterhauses

In allen politischen Lagern, selbst bei den Hindunationalisten, fand der Vorschlag der Kongresspartei, den 75 Jahre alten Somnath Chatterjee als Sprecher der Lok Sabha einzusetzen, ein positives Echo. Einige hatten ihm dazu bereits gratuliert, als seine Genossen von der KPI (Marxistisch) noch gar nicht entschieden hatten, ob sie ihn mit dieser Funktion betrauen. Nachdem das Politbüro grünes Licht gab, erklärte dessen Mitglied, Prakash Karat: "Genosse Chatterjee kann in diesem Amt helfen, die Agenda der vorigen Regierung zu revidieren und wichtige neue Gesetze auf den Weg zu bringen. Für die demokratisch-säkularen Kräfte inner- und außerhalb der Regierung der Vereinten Progressiven Allianz ist er ein Gewinn."

Tatsächlich verfügt der stets bescheiden auftretende Chatterjee, der aus einer prominenten bengalischen Juristenfamilie stammt, als ältester Parlamentarier wie kein anderer über Erfahrungen in der Arbeit der Volksvertretung. Nicht weniger als zehn Mal wurde er ins Parlament gewählt. Für sein vorbildliches, konstruktives Wirken in der Lok Sabha über etliche Jahrzehnte wurde er als "Bester Parlamentarier" geehrt.

Die KPI (M) hatte Mitte der 1990er Jahre dem Ruf der damaligen Vereinten Front nicht entsprochen, die den westbengalischen Chefminister Jyoti Basu als Indiens Premier installieren wollte. Basu bezeichnete diese Entscheidung später als "historischen Schnitzer" seiner Parteiführung. Im Fall Somnath Chatterjee, dem Gewerkschaftsführer, Zivilrechtler und Rechtsanwalt, entschied sie nun anders.

Die Kongresspartei hofft nun, mit Chatterjee die Kommunisten – sie gehören wie alle anderen Linken nicht der neuen Regierungsallianz an, sondern unterstützen sie von außen – etwas mehr politisch einbinden zu können. Die Entscheidung, ihn zum Unterhaussprecher zum machen, trägt jedenfalls der Stärke des linken Blocks im Parlament mit seinen 61 Abgeordneten Rechnung und reflektiert das Ansehen der Kommunisten in Indien – auch wenn sie von der bürgerlichen Presse nicht selten als "Ewiggestrige" plakatiert werden. 

Quelle: Der Beitrag erschien am 4. Juni 2004 in der Tageszeitung Neues Deutschland.

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