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16. Januar 2008. Kommentare: Politik & Recht - Pakistan Nur die Familie zählt

Demokratie als Rache?

Die großen Parteien Pakistans sind keine demokratische Alternative zur Herrschaft des Militärs.

"Demokratie ist die beste Rache", sagte der 19-jährige Bilawal Bhutto Zardari auf der Pressekonferenz nach seiner Ernennung zum neuen Vorsitzenden der Pakistanischen Volkspartei (PPP). Es sei der Wille seiner Mutter gewesen, dass er in ihre Fußstapfen trete. Benazir Bhutto war am 27. Dezember im Anschluss an eine Wahlkampfveranstaltung in Rawalpindi ermordet worden.

Die Chancen der PPP für die nach dem Anschlag auf den 18. Februar verschobenen Wahlen stehen nicht schlecht. Doch wie demokratisch sind die Parteien Pakistans? Benazir Bhutto war Parteivorsitzende "auf Lebenszeit" – möge ihrem Sohn ein langes Leben beschieden sein. Die Herrschaft des Bhutto-Clans über die im feudalen Stil geführte, stärkste Partei des Landes ist erst mal gerettet. Bis zum Abschluss von Bilawals Geschichtsstudium in Oxford wird sein Vater Asif Ali Zardari die Amtsgeschäfte leiten. Als Spitzenkandidat der PPP wird der als loyal geltende Fraktionsvorsitzende Makhdoom Amin Fahim gehandelt.

In der pakistanischen Politik hat man es mit sehr stark ausgeprägten klientelpolitischen Strukturen zu tun. Die anderen Parteien werden meist ebenfalls von einflussreichen Familien geführt. In den Städten entscheidet oft die Zugehörigkeit zu Bevölkerungsgruppen und Konfessionen über die Wahl einer Partei. Im ländlichen Raum definieren die wirtschaftlichen Abhängigkeiten von Grundbesitzern und traditionelle Regeln, ein Gemisch aus dem "Volksislam" und Stammesgebräuchen, den Alltag. Der Rechtsstaat ist weit weg. Auch Benazir Bhutto hatte anscheinend kein Problem damit, als sie nach ihrem Studium im Ausland auf die Familiengüter in der Provinz Sindh zurückkehrte und mit dem drei Jahre jüngeren Spross des Zardari-Sippe verheiratet wurde.

Nepotismus ist an der Tagesordnung. Familienangehörige tauchen immer wieder in verschiedensten Positionen auf. Der erste Sohn wird Politiker, der zweite geht in die Wirtschaft, der dritte wird Anwalt oder Offizier, wichtig ist eine möglichst breite Streuung. Die Töchter dienen der Heiratspolitik. Die einflussreichen Familien befinden sich im stetigen Wettbewerb miteinander und teilen das Land, die Macht und die Ressourcen unter sich auf. Dieses Modell beschränkt sich nicht auf die Oberschicht, die Mittelschicht adaptiert es fleißig.

Die elf Jahre zwischen 1988 und 1999, als sich die Parteien die Macht gegenseitig immer wieder abnahmen, waren verheerend. Die Auslandsverschuldung erreichte neue Höhen, die Zahl der Armen verdreifachte sich und das Verhältnis zu Indien verschlechterte sich immens.

Eine demokratische Alternative zur Herrschaft der Generäle, die die meiste Zeit während der 60jährigen Landesgeschichte die Geschicke bestimmten, sind die großen Parteien daher nicht. Die Armee ist ein Staat im Staate, sie beherrscht größtenteils die Wirtschaft und Verwaltung. Präsident Pervez Musharraf putschte sich 1999 an die Macht. Seine Uniform hat er nur widerwillig abgelegt, an den Lagebesprechungen des Generalstabs nimmt er weiterhin teil. Er selbst scheint nicht korrupt zu sein. Doch er sichert die Pfründe des ihn stützenden Netzwerks aus Militärs und Geheimdienstlern.

Die Politiker beklagen sich über machthungrige Offiziere und die Offiziere sich über korrupte Politiker. Doch Parteien und Militär sind die Säulen eines oligarchischen Systems, das gesellschaftliche Demokratisierung nicht zulässt. Das dürfte sich noch rächen.

 

Quelle: Der Beitrag erschien in leicht gekürzter Form am 10. Januar 2008 in der Wochenzeitung Jungle World Nr. 2/2008.

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