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28. Februar 2002. Nachrichten: Politik & Recht - Indien Über 50 Tote bei Anschlag auf Zug in Gujarat

Bahnwagen mit Hindu-Extremisten in Brand gesteckt

In den Morgenstunden des 27. Februar wurden bei Godhra, einer Kleinstadt 150 km südlich von Ahmedabad, der Hauptstat des indischen Unionsstaates Gujarat, bei einem Brandanschlag auf den Sabamati Express mindestens 57 Menschen getötet. Nach Berichten von Augenzeugen ging dem Anschlag, an dem sich bis zu fünfzig Männer beteiligt haben sollen, ein Streit zwischen Bewohnern und den Insassen voraus. Die Mehrzahl der Fahrgäste befand sich auf dem Heimweg von einer Massenkundgebung des Vishwa Hindu Parishad (VHP - Weltrat der Hindus) in Ayodhya.

Kolkata. Wahrscheinlich steht der Anschlag im Zusammenhang mit den umstrittenen Plänen des VHP, auf den Trümmern der vor zehn Jahren zerstörten Babri-Moschee einen Tempel zu Ehren des Gottes Ram zu errichten. Die indische Zentralregierung hatte sich gegen das Vorhaben ausgesprochen. Der VHP bekräftigte jedoch, der Bau des Hindu-Tempels werde wie geplant am 15. März beginnen. Die aus dem 16. Jahrhundert stammende Moschee im nordindischen Ayodhya war 1992 von Hindu-Extremisten zerstört worden, was zu landesweite Unruhen geführt hatte, bei denen mehr als 3.000 Menschen ums Leben kamen.

Premierminister Atal Behari Vajpayee, der seine geplante Reise nach Australien kurzfristig verschob, verurteilte das Attentat aufs schärfste und verlangte nach einer gründlichen Aufklärung. Sein Parteigenosse, Innenminister L.K. Advani, kündigte an, sich am Folgetag in Godhra ein Bild von der Situation machen zu wollen. Die Führerin der oppositionellen Kongresspartei Sonia Gandhi schloss sich in der Verurteilung der Tat der Regierung an.

Dennoch kam es nach Fernsehberichten verschiedener Sender bereits einige Stunden nach der Tat zu Unruhen bei Ahmedabad und Varoda bei denen zwei Muslime getötet wurden. Die Führung der hindunationalistischen Organisationen VHP und des nationalen Freiwilligen-Korps Rashtriya Swayamsevak Sangh (RSS) trugen durch Äußerungen, dass die Täter in den Reihen der Muslime, die die Mehrheit der Bewohner Godhras stellen, zu finden seien, dazu bei, die Stimmung weiter anzuheizen. Die Organisationen kündigten eine Protest-Kundgebung vor Ort in den nächsten Tage an.

Die Sicherheitslage hat sich landesweit dramatisch zugespitzt. In Godhra sind die Sicherheitskräfte dazu angehalten von der Schusswaffe bei einer eventuellen Zusammenrottung von Menschengruppen gebrauch zu machen. In der nordindischen Stadt Ayodhya, in der am Wochenende bereits ein verstärktes Sicherheitsaufgebot präsentiert wurde, kam es zu einer erneuten Aufstockung der paramilitärischen Truppe PAC. In den Unionsstaaten Uttar Pradesh und Bihar wurde die höchste Alarmstufe ausgerufen. Auch in der ostindischen Metropole Kolkata sind die Sicherheitskräfte verstärkt worden – die Polizeipräsenz ist in der Stadt aber seit dem Anschlag auf das amerikanische Kulturzentrum vom vergangenen Januar ohnehin gestiegen.

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