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28. Dezember 2004. Nachrichten: Natur & Umwelt - Südasien Wenn die rasende Flut kommt

Bei Beben unter dem Meer entstehen haushohe Wellen

Die indonesischen Inseln liegen an der vulkanisch und tektonisch hochaktiven Grenze zweier Kontinentalplatten. Deshalb kommt es dort immer wieder zu schweren Erdbeben.

Anders als Sturmfluten kündigen sich Tsunami (japanisch: große Welle im Hafen) nicht an. Ein Augenzeuge schildert die Flut als eine Welle, die sich wie eine sorgfältig gebügelte Falte im Meer über den ganzen Horizont lautlos auf das Ufer zuschob. Auch Schiffe auf hoher See merken kaum etwas von dem bedrohlichen Naturereignis, denn dort hebt sich der Meeresspiegel nur um wenige Meter. Selbst als Welle sind die Tsunami auf See kaum zu bemerken, da der Abstand zwischen den Wellenbergen durchaus bis zu 100 Kilometern groß werden kann. Ihre gewaltige Zerstörungskraft zeigt sich erst, wenn sie sich beim Annähern an die Küsten im immer flacher werdenden Meer oder gar in Buchten und Hafenbecken ausbreiten. Dann können sie sich zu 30 Meter hohen Wasserbergen auftürmen. Zu allem Übel können sich Tsunami mit einer Geschwindigkeit von bis zu 800 Stundenkilometern fortbewegen.

Doch wie kommen solche Monsterwellen zu Stande? Meist werden sie wie soeben vor der indonesischen Insel Sumatra von Erdbeben unter dem Meeresgrund ausgelöst. In Einzelfällen sind auch große Vulkanausbrüche die Ursache, bei denen Teile des Vulkankegels ins Meer abrutschen. Die letzte vergleichbare Tsunami-Katastrophe in Südostasien etwa war ein solcher Fall: 1883 explodierte der indonesische Vulkan Krakatau und verursachte dadurch Flutwellen, in denen mehr als 35.000 Menschen umkamen.

Tsunami, die von Erdbeben ausgelöst werden, bedrohen alle Anrainer von Meeresgebieten, unter denen sich so genannte Subduktionszonen befinden. Das sind Bereiche der Erdkruste, wo sich eine Kontinentalplatte langsam unter eine andere schiebt. Dabei kommt es naturgemäß zu Reibungen und Stockungen. Wenn sich diese Stockungen dann irgendwann ruckartig lösen, bebt die Erde. Derartige tsunamiträchtige Zonen finden sich entlang der indonesischen Inseln und der indischen Andaman-en, an den Philippinen, der Ostküste Japans sowie vor der gesamten amerikanischen Pazifikküste.

Kommt es zu einem Beben, das stärker als 7,7 auf der Richter-Skala ist, so wird das Wasser bis hinab zum Meeresgrund in Bewegung gesetzt. Die Wellen breiten sich nach allen Richtungen kreisförmig aus. Inselgruppen oder unterseeische Gebirgsrücken können die Wellen allerdings abschwächen, erläutert der Geophysiker Serge A. Shapiro von der Freien Universität Berlin.

Wegen der großen Strecken, die Tsunami zurücklegen, gibt es - anders als bei Erdbeben - meist die Möglichkeit einer Vorwarnung. In den USA und Japan etwa existiert ein solches Vorwarnsystem, sagt Erdbebenexperte Rainer Kind vom GeoForschungszentrum Potsdam.

Dazu seien neben Erdbebenmessstationen vor allem Ansprechpartner bei den Behörden und eine funktionierende Infrastruktur zur Evakuierung der Überflutungsgebiete nötig. Bei den Anrainern des Indischen Ozeans existiere derlei bislang nicht. Die Erdbebenforscher hätten zwar alle nötigen Informationen gehabt, doch mangels Ansprechpartnern vor Ort sei keine Warnung möglich gewesen.


Quelle: Der Text erschien am 28. Dezember 2004 in der Tageszeitung Neues Deutschland.

Dieser Beitrag gehört zum Schwerpunkt: Der Tsunami im Indischen Ozean .

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