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01. Dezember 2000. Nachrichten: Politik & Recht - Indien Drei neue Unionsstaaten gegründet

Nach jahrzehntelangen Diskussionen und mehreren gescheiterten Anläufen wurden in den ersten beiden Novemberwochen drei neue indische Unionsstaaten geschaffen: Chhattisgarh, Jharkhand und Uttaranchal.

Mit ihrer Gründung erfüllten sich langjährige Hoffnungen von Gruppen mit eigenständiger ethnischer und regionaler Identität auf Selbstbestimmung. Doch bei allen Staaten handelt es sich um arme und strukturschwache Regionen, die trotz vorhandener wirtschaftlicher Potentiale mittelfristig auf Hilfe der Zentralregierung angewiesen sein werden.

Bereits im August waren mit der Verabschiedung der State Reorganisation Bills die Weichen für diesen Schritt durch das indische Parlament gestellt worden. Es handelt sich um die erste Reorganisation der indischen Unionsstaaten seit 1971, als im Nordosten neue Einheiten geschaffen wurde. Mit der Schaffung der drei neuen Staaten erhöht sich die Zahl der indischen "Länder" auf 28.

Den Anfang machte am 1. November Chhattisgarh. Der neue Staat, mit 135.200 qkm etwa so groß wie Griechenland, wurde aus dem Gebiet des zentralindischen Madhya Pradesh gelöst. Knapp die Hälfte der 17,6 Millionen Einwohner gehört zu den sogenannten Scheduled Tribes und Castes, der auch Adivasis genannten indischen "Stammesbevölkerung" und den Kastenlosen. Trotz seines Reichtums an Bodenschätzen und Wäldern, gehört Chhattisgarh zu den strukturschwächsten Regionen Indiens. Nur ein Fünftel der Bevölkerung lebt in Städten und die Analphabetenrate liegt bei knapp 60%. Chef der neuen Regierung in der jungen Hauptstadt Raipur wurde Ajit Jogi vom Congress (I). Zu den drängendsten Aufgaben der neuen Administration gehört die Bekämpfung der Folgen der schweren Dürre, unter der die Region in diesem Jahr zu leiden hatte, und die Befriedung des gewaltsamen Kampfes der maoistischen Naxaliten gegen die Macht der Großgrundbesitzer.

Als 27. Gliedstaat folgte Uttaranchal am 9. November. Der Staat, mit 60.000 qkm etwa so groß wie die Schweiz, umfaßt die Himalaya-Region und einen schmalen Streifen der Gangesebene des nordindischen Uttar Pradesh. Mehr als die Hälfte der acht Millionen Einwohner gehören zu den Oberkasten. Nur in den Hochgebirgsregionen an der Grenze zu Tibet leben mehrheitlich Adivasis. Die neue Regierung in der vorläufigen Hauptstadt Dehra Dun wird von Nityanand Swamy anführt, der der hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) angehört, die über eine komfortable Mehrheit im Interims-Parlament verfügt. Zu den wichtigsten Aufgaben der politischen Führung wird der Ausbau der Infrastruktur gehören, der notwendige Voraussetzung für die erhoffte wirtschaftliche Entwicklung der Region ist.

Als letzter der neuen Staaten wurde am 15. November Jharkhand gegründet. Sein Territorium von 74.700 qkm umfaßt das bergige und rohstoffreiche Hochplateau des ehemaligen Süd-Bihar. Die Mehrheit der 27,5 Millionen Einwohner gehört zu den Adivasis. Obwohl die traditionsreiche Autonomie-Bewegung von der Jharkhand Mukti Morcha (JMM) getragen wurde, fällt die Führung der Regierung in der neuen Hauptstadt Ranchi an die BJP. Ihren Erfolg verdanken die Hindunationalisten der Korrumpiertheit und den inneren Streitigkeiten der JMM, aber auch der engagierten Vorarbeit ihrer Frontorganisation Rashtriya Swayamsewak Sangh (RSS), die seit Jahren unter der Stammesbevölkerung missionarische Sozialarbeit leistet. Neuer Ministerpräsident ist der Adivasi und langjährige RSS-Aktivist Babulal Marandi, der zuvor Umweltminister in New Delhi war. Priorität wird für ihn die Sanierung der maroden staatlichen Schwerindustrie haben, die Jharkhand - im Falle des Erfolgs - zum "Ruhrgebiet Indiens" machen könnte.

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