Inhalt

20. November 2007. Nachrichten: Indien - Politik & Recht Indisch-russischer Gipfel in Moskau

Moderne Waffen, Energie und Handel

Indiens Premierminister Manmohan Singh und der russische Präsident Vladimir Putin trafen sich am 12. November 2007 zum achten Gipfel beider Länder in Moskau. Eine verbesserte militärische Zusammenarbeit, indische Energieimporte aus Russland und ein höheres Handelsvolumen bestimmten die Tagesordnung einer keineswegs mehr völlig konfliktfreien Partnerschaft. Ein gemeinsames Programm zur unbemannten Erforschung des Mondes soll bis 2017 neue Horizonte der Zusammenarbeit eröffnen.

Indien galt jahrzehntelang als wichtigster Partner der ehemaligen Sowjetunion in Asien. Es profitierte indirekt vom sowjetischen Nuklearschutz, einem vielfach abgestimmten Verhalten im UN-System, modernster Waffentechnologie und dem Handel ohne Hartwährungsbasis. Die 1990er Jahre verliefen durch den Abbau der Erblasten aus dem für Indien einst sehr vorteilhaften Rupien-Rubel-Handel jedoch keineswegs spannungsfrei. Nun sollen die russischen Guthaben in Indien investiert werden.

Strategischer Partner und Waffenlieferant Nummer Eins

Die indische Militärmacht ist ohne die modernste russische Waffentechnologie nicht denkbar. Bislang stammen knapp zwei Drittel der militärischen Ausrüstung in Indien aus Russland. Manmohan Singh nannte die militärische Zusammenarbeit einen "integralen Bestandteil der strategischen Partnerschaft" und bestätigte, dass sich zahlreiche Verträge in verschiedenen Stadien der Implementierung befänden. Gemeinsame Forschung und Entwicklung führten zum Bau des Marschflugkörpers Brahmos (eine Zusammenfügung der Anfangsbuchstaben der Flüsse Brahmaputra und Moskwa). Brahmos erreicht mit Überschallgeschwindigkeit eine Reichweite von ca. 290 Kilometern und kann nukleare Sprengköpfe transportieren. Nun wurde in Moskau die gemeinsame Entwicklung einer fünften Generation von Kampfflugzeugen sowie von Transportmaschinen mittlerer Reichweite vereinbart. Die Auslieferung eines umgerüsteten russischen Flugzeugträgers für 1,5 Milliarden US-Dollar hatte sich jedoch um zwei Jahre verzögert. Die Armee benötigt ein Jahr, um Ersatzteile aus Russland zu besorgen. Neue Ersatzteillager in Indien sollen in Zukunft Abhilfe schaffen.

Russlands bislang unangefochtene Position als größter Waffenlieferant Indiens wird mittel- bis langfristig durch Lieferschwierigkeiten, finanzielle Nachforderungen, fehlende Ersatzteile sowie eine von indischer Seite beklagte Ineffizienz der russischen Bürokratie gefährdet. Moskau steht zunehmend im Wettbewerb mit Israel, der Nummer Zwei bei indischen Waffenimporten, aber auch mit den USA, Großbritannien und Frankreich. Deutsche Waffenproduzenten drängen ebenfalls auf den großen indischen Absatzmarkt, der in den kommenden fünf Jahren Aufträge in Höhe von ca. 20 Milliarden US-Dollar verspricht.

Wirtschaft: Energie und Diamanten

Das Handelsvolumen von gegenwärtig 2,52 Milliarden US-Dollar wird von beiden Seiten als viel zu niedrig angesehen (Zum Vergleich: Indien-Deutschland – 10 Milliarden US-Dollar, Indien-China – 25 Milliarden US-Dollar). Die seit einigen Jahren kürzeren Handelsrouten über den Iran haben nicht zu dem erhofften Handelsanstieg geführt. Angesichts der gegenwärtigen Probleme scheint das von Singh und Putin für 2010 anvisierte Handelsvolumen von 10 Milliarden US-Dollar unrealistisch.

Bislang spielt Russland als Energielieferant in Indien eine untergeordnete Rolle. Seine Energiereserven sind für die boomende indische Wirtschaft jedoch von großem Interesse. Delhi strebt langfristige Liefergarantien an. Moskau war bislang zögerlich. Auch die russische Diamanten-Industrie, eine weitere indische Priorität, kooperierte bislang nur sehr zurückhaltend und wendete sich mehr Europa sowie China zu.

Auf den Bau von vier russischen Atomreaktoren im Unionsstaat Tamil Nadu muss Indien warten, bis es das notwendige Plazet der Internationalen Atomenergiebehörde und der Nuklearen Lieferantengruppe erhalten hat. Indiens Kommunisten, von deren Unterstützung das Überleben der von Manmohan Singh geführten Regierung abhängt, lehnen zwar das indisch-amerikanische Nuklearabkommen wegen außenpolitischer Bedenken weiterhin scharf ab, sie autorisierten aber die Regierung zwischenzeitlich, Verhandlungen mit der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien aufzunehmen. Danach kann der indische Fall zur Nuclear Suppliers Group gebracht werden. Erst wenn Indien dort grünes Licht für Uran-Lieferungen erhält, dann kann Moskau mit dem Bau der vier verbindlich in Aussicht genommenen Atomreaktoren beginnen.

Politische Interessen und Nuancen

Außenpolitisch besitzen die USA, Europa und China für Moskau einen höheren Stellenwert als Indien. Putin erkennt aber dessen Rolle für die regionale asiatische und internationale Stabilität ausdrücklich an: "Russland, Indien und China sollten in gemeinsamer Anstrengung ihre Interessen in Asien fördern. Diese Zusammenarbeit sollte für andere offen und für die internationale Gemeinschaft transparent sein", erklärte der Präsident bereits im Vorfeld des Gipfels. Zu diesem Zweck treffen sich die Außenminister der drei Länder seit 2005 regelmäßig, zuletzt im Oktober 2007 in China. Innerhalb der Shanghai Cooperation Organization, einer Gemeinschaft von Russland, China, Usbekistan, Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan, nimmt Indien mittlerweile neben dem Iran, Pakistan und der Mongolei einen Beobachterstatus ein. Die Spannungen im Dreieck Indien, China und Pakistan erschweren jedoch bislang die Bemühungen, durch eine ergebnisorientierte Politik die Voraussetzungen für die Entwicklung einer multipolaren Weltordnung zu schaffen.

Moskau hat Probleme mit der aus seiner Sicht zunehmend pro-amerikanischen Ausrichtung der indischen Außenpolitik, so Nandan Unnikrishnan, Direktor des euro-asiatischen Programms der Observer Research Foundation in Delhi, die vom größten indischen Privatkonzern, der Ambani-Gruppe, finanziert wird. Die indische Presse berichtete daher im Zusammenhang mit dem Gipfel von diplomatischen Irritationen. Der den Premierminister begleitende Nationale Sicherheitsberater M.K. Narayanan sprach jedoch von einer nahtlosen und im internationalen Vergleich beispiellosen Beziehung ohne jegliche Probleme, die sich in sechs Jahrzehnten bewährt habe. Einigkeit demonstrierten Moskau und Delhi, das eine traditionell gute Beziehung zu Teheran unterhält, hinsichtlich des iranischen Nuklearprogramms. Ausdrücklich betonten sie die Notwendigkeit einer Lösung des Konflikts durch Verhandlungen.

Insgesamt könnte die Moskau-Reise dem innenpolitisch angeschlagenen Premierminister Pluspunkte in der kommenden parlamentarischen Auseinandersetzung um das indisch-amerikanische Nuklearabkommen einbringen, um die Unabhängigkeit der indischen Außenpolitik zu betonen.

Kommentare

Als registriertes Mitglied können Sie einen Kommentar zu diesem Beitrag verfassen.