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11. Oktober 2011. Nachrichten: Afghanistan - Politik & Recht Tödlicher Turban

Attentat auf den ehemaligen afghanischen Präsidenten Burhanuddin Rabbani

Zielstrebig bereiten die Taliban sich auf die Eroberung Afghanistans nach dem Abzug der ausländischen Truppen vor.

Die CIA hängt keine Hinweisschilder an die Gebäude, die sie im Ausland nutzt. Dass das Ariana-Hotel in Kabul das Hauptquartier des US-Geheimdiensts in Afghanistan ist, war dennoch allgemein bekannt. Der Mann, der dort am 25. September einen US-Bürger erschoss, bevor er selbst getötet wurde, wusste jedoch nicht nur über die Nutzung des Gebäudes Bescheid. Anders als beim Angriff der Taliban auf das Zentrum der Hauptstadt, bei dem am 13. September unter anderem die US-Botschaft und das Nato-Quartier beschossen wurden, war der Attentäter ein Insider, ein afghanischer Mitarbeiter der CIA. Offenbar ist es den Taliban gelungen, den US-Geheimdienst zu infiltrieren.

Eine Vertrauensstellung müssen auch die beiden Attentäter genossen haben, die am 20. September Burhanuddin Rabbani töteten. Rabbani sollte im Auftrag der afghanischen Regierung Friedensgespräche mit den Taliban führen, doch einer der beiden Männer, die ihn als Unterhändler aufsuchten, hatte, vermutlich in seinem Turban versteckt, eine Bombe bei sich. Rabbani, ein erfahrener islamistischer Warlord, der selbst zahlreiche Attentate in Auftrag gegeben hat, muss sich der Gefahr eines Anschlags bewusst gewesen sein. Dennoch wurden die beiden Besucher nicht gründlich kontrolliert, dies deutet darauf hin, dass die Taliban entweder Rabbani geschickt getäuscht oder die Schar seiner Leibwächter infiltriert haben.

Deutlicher als durch die Ermordung des höchstrangigen Verhandlungsführeres lässt sich kaum mitteilen, dass die Taliban-Führung kein Interesse an der vom afghanischen Präsidenten Hamid Karzai und der Nato progagierten Versöhnung hat. Die beiden Anschläge können als exemplarisch für die Strategie der Jihadisten gelten. Mit dem Attentat im Ariana-Hotel sollte bewiesen werden, dass die Taliban auch an den am besten gesicherten Orten zuschlagen können. Dies soll nicht nur die ausländischen Interventionsmächte in ihrem Abzugswillen bestärken, sondern auch die Afghanen einschüchtern.

Mit dem Attentat auf Rabbani sollte nicht nur ein Vermittler getroffen werden, sondern auch ein potentieller Konkurrent in der nächsten Phase des Bürgerkriegs. Vor allem die ehemaligen Militärkommandanten und politischen Führer der Nordallianz, die in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre dem Vormarsch der Taliban widerstand, sollen beseitigt werden. Zu ihnen gehörte neben Rabbani auch General Mohammed Daud Daud, der Ende Mai einem Bombenanschlag zum Oper fiel. Wenn im Jahr 2014 die letzten ausländischen Soldaten Afghanistan verlassen haben, soll der Weg frei sein für einen erneuten Eroberungsfeldzug.

Die Absichten der westlichen Regierungen schätzen die Taliban wohl richtig ein. Afghanistan wird aufgegeben und nach 2014 wahrscheinlich, wie derzeit Nordwestpakistan, zum Einsatzgebiet raketenbestückter Drohnen. Weniger klar ist, ob die Liquidierung ehemaliger Führer der Nord­allianz genügen wird, um einen Sieg der Taliban zu garantieren. Denn zweifellos haben auch die derzeit noch mit der Regierung Karzais verbündeten Fraktionen begonnen, sich auf die nächste Phase des Bürgerkriegs vorzubereiten. Das Ariana-Hotel wird dann wohl wieder, wie bereits in den neunziger Jahren, Gäste mit Vollbart beherbergen, die auf ihren nächsten Kampfeinsatz warten.

 

Quelle: Dieser Beitrag erschien im Original am 29. September 2011 in der Wochenzeitung Jungle World Nr. 39/2011.

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