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10. Januar 2005. Nachrichten: Wirtschaft & Soziales - Südasien Kleiner Leitfaden zum Spenden

Wer verantwortungsvoll spenden will, kommt nicht umhin, sich davor und danach zu informieren, was mit seinem Geld eigentlich geschieht

Die Hilfsbereitschaft für die Opfer der Flutkatastrophe ist sehr groß. Doch viele, die für vom Seebeben Betroffene im Indischen Ozean spenden wollen oder schon gespendet haben, fühlen sich mit ihrer Hilfsbereitschaft selbst hilflos. Welche der zahllosen Hilfsorganisationen verdient die Spendeneuro? Wer hilft schnell, wer nachhaltig? Kommt das Geld auch wirklich den Bedürftigen zugute oder fließt zu viel in die Verwaltung?

Auf diese Fragen gibt es keine einfachen Antworten. Vielmehr gilt es, zunächst die Motive der eigenen Hilfsbereitschaft zu klären und dann dazu passende Formen. Wer dann Informationen über die Arbeit von Hilfsorganisationen, ihre Ziele und Strukturen sucht, erhält einen Überblick beim Zentralinstitut für soziale Fragen und weitere Informationen bei den Organisationen selbst.

Warum spenden Sie denn?

Fragen Sie sich ehrlich, warum Sie spenden wollen und wie viel Zeit Ihnen Ihr Engagement wert ist. Ist es wirklich pure, uneigennützige Hilfsbereitschaft? Oder wollen Sie auch Ihr eigenes Ego oder Image stärken?

Legen Sie Wert auf ein für Sie klares, identifizierbares Projekt? Sind Sie später daran interessiert, was aus ihrer Spende wurde? Oder wollen Sie in Ruhe gelassen werden? Haben Sie persönliche Verbindungen in eine Region? Soll unbedingt sofort geholfen werden? Oder denken Sie mittel- und langfristig? Sehen Sie ihre Spende als rein humanitäre Geste oder glauben Sie, dass Humanität zwangsläufig in einem politischen Umfeld erfolgt, auf das deshalb auch eingewirkt werden sollte?

Die Antworten entscheiden mit, welche Organisationen aus Ihrer Sicht sinnvolle Arbeit leisten. Wer selbst Anerkennung sucht, spendet eher dort, wo der eigene Name entsprechend gewürdigt wird wie etwa durch die Nennung auf dem Bildschirm einer Fernsehgala oder eine Meldung in der Heimatzeitung. Während das über die Qualität der eigentlichen Hilfe nichts sagt, kommen alle, die auch wirklich im Sinne der Opfer sinnvoll spenden wollen, nicht umhin, sich konkret zu informieren.

Wer persönliche Beziehungen zu einer betroffenen Region hat, kennt meist schon Organisationen, die dort arbeiten und oft auch schon vor der Katastrophe dort tätig waren. Wer persönliche Beziehungen zu Personen oder Projekten haben will, die von der Hilfe profitieren, wird dies bei der Auswahl der Organisationen berücksichtigen. Allerdings ist zu bedenken, dass die für die Spender vermittelten Kontakte und Informationen einen höheren Verwaltungsaufwand bedeuten, also weniger Geld bei den Bedürftigen ankommt. Andererseits sind Sie später besser über die Bedürfnisse informiert, wenn sie erneut helfen.

Vier Arten des Helfens

Die Arbeit von Hilfsorganisationen teilt sich grob in vier Bereiche: Das Spendensammeln (Fundraising), die unmittelbare Not- und Katastrophenhilfe, die längerfristige Wiederaufbau- und Entwicklungshilfe sowie die Lobby- und Bewusstseinsarbeit (Advocacy) in Geber- und Empfängerländern sowie auf der internationalen Ebene. Nicht alle Organisationen arbeiten in allen Bereichen. Doch alle auf Spenden angewiesenen Organisationen betreiben Fundraising. Neben einer erfolgreichen Ansprache potenzieller Spender durch Emotionen und gute Argumente ist dabei die Glaubwürdigkeit der entscheidende Faktor.

Erfolgreiches Fundraising, das mit hoher Medienpräsenz einhergeht, sagt nicht viel über eine gute Arbeit vor Ort und erst recht nicht, ob die Organisation überhaupt in der Lage ist, große Mittel sinnvoll auszugeben. So etwa erhielt das "Komitee Cap Anamur" zur Zeit des Kosovokrieges aufgrund von Medienpartnerschaften sehr viele Spenden. Einen Großteil davon gab die kleine Organisation später an andere weiter, weil sie selbst gar nicht so viel sinnvolle Projekte im Kosovo durchführen konnte.

Dass jetzt die "Ärzte ohne Grenzen" keine zweckgebundenen Spenden für die Flutopfer mehr erhalten wollen, soll eine Situation wie bei "Cap Anamur" 1999 vermeiden und liegt an der Konzentration der "Ärzte" auf medizinische Nothilfe und an der Verantwortung den Spendern gegenüber. Die Organisation baut eben keine Gesundheitssysteme in Dritte-Welt-Ländern auf, sondern leistet medizinische Erst- und Notversorgung in Krisengebieten, kann also in den jetzigen Flutgebieten nur in einem gewissen Rahmen sinnvoll helfen.

Eine ähnliche Arbeit machen auch die Internationale Föderation der Nationalen Rote-Kreuz- Gesellschaften oder "Medico International". Doch gibt es Unterschiede im Ansatz und der Politik. So haben Rote-Kreuz-Gesellschaften ein sehr offizielles Image, was sich auch aus der Rekrutierung ihrer Führer aus Politikern ergibt und der Einbettung der Organisation in das lokale Establishment. Das Rote Kreuz macht kaum Advocacy-Arbeit, stellt also die herrschenden Strukturen nicht in Frage, ist allerdings meist stärker in offizielle Katastrophenpläne und -prävention eingebunden als andere Organisationen.

Zwar fühlen sich alle medizinischen Nothilfeorganisationen der Neutralität humanitärer Hilfe verpflichtet, doch mischen sich manche stärker in politische Debatten ein oder stoßen sie gar mit an. Ein Beispiel hierfür ist etwa "Medico International" mit der internationalen Kampagne gegen Landminen. "Medico" sieht sich auch einem anderen Konzept von Gesundheit verpflichtet, das weniger auf klassische kurative Schulmedizin setzt, sondern stärker auf lokale Basisdienste und Prävention.

Not ist schnell vergessen

Medienwirksame Krisen mit hohem Spendenaufkommen wie zurzeit führen dazu, dass die Arbeitsteilung zwischen den Organisationen verschwimmt. Wer sich bisher hauptsächlich auf längerfristige Entwicklungshilfe konzentrierte, fühlt sich unter Druck, angesichts der Katastrophe auch schnelle Hilfen anzubieten. Denn gerade jetzt sind die Not, die Spendenbereitschaft und die Medienaufmerksamkeit am größten. In einem Jahr ist für einen längerfristigen Aufbau vielleicht kein Geld mehr da.

Sowohl Not- wie Entwicklungshilfe leistet seit Jahren zum Beispiel die Deutsche Welthungerhilfe. Sie liefert bei Katastrophen schnell Nahrungs- und Überlebensmittel, doch kümmert sie sich anschließend auch mit Saatgut, Ackergeräte und Fischernetze und die entsprechende Beratung, die die Betroffenen in die Lage versetzt, sich selbst zu versorgen.

Unterschiedliche Ansätze gibt es auch bei der Hilfe für Kinder, die Spenderherzen besonders erweichen. Verantwortungsvolle Organisationen helfen dabei nicht nur einzelnen Kindern, sondern auch deren Umfeld. So ist es bedenklich, wenn durch Patenschaften nur einzelne Kinder gefördert werden, aber ihre Familie oder ihr Dorf vernachlässigt werden, was Neid und Konflikte schafft. Vielen Kindern kann nachhaltig am besten geholfen werden, wenn auch die Eltern in Hilfs- und Bildungsmaßnahmen einbezogen werden.

Wer verantwortungsvoll spendet, gibt sein Geld an Organisationen, die schon in früheren Krisen gute Arbeit geleistet haben. Auch sollte nicht zweckgebunden nur für Flutopfer gespendet werden, weil dies den Hilfsorganisationen Flexibilität nimmt. Und es sollte an Projekte gedacht werden, die über die unmittelbare Nothilfe hinausreichen, sowie an Regionen, die zurzeit nicht im Fokus von Politik und Medien sind, aber ebenso dringend Hilfe brauchen. Spenden bieten die Chance zu längerfristigen Partnerschaften, die über bloßes Mitleid hinausgehen.

Quelle: Der Text erschien am 8. Januar 2005 in der "Tageszeitung" (taz).

Dieser Beitrag gehört zum Schwerpunkt: Der Tsunami im Indischen Ozean .

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